Eindrücke von der Ulmer Tafel
"Zwanzig vor sechs", verkündet Mechthild Destruelle. Die Gemüse-Lasagne ist längst im Ofen, die Suppe köchelt auf dem Herd. Brauchen die Helferinnen und Helfer, die Salat und Nachtisch zubereiten, Hilfe? Nein, alle sind zuversichtlich, dass das Essen pünktlich um 18 Uhr ausgegeben werden kann. Klaus-Peter Berktold sowie Alice und Vini, zwei 16-jährige Schülerinnen der Internationalen Schule in Neu-Ulm, unterstützen Mechthild Destruelle an diesem Tag. "Es macht Spaß und du bekommst einen anderen Blick auf die Realität", sagt Alice. "In Deutschland wird das Problem der Obdachlosigkeit sonst doch verdrängt." Sie freut sich, wenn sie den Gästen in der Stadt begegnet. "Wir grüßen uns immer."
Paprika, Zucchini, Auberginen, grüner Spargel, Spinat, Zwiebeln, Knoblauch und jede Menge frische Kräuter wie Rosmarin und Salbei sind die Lebensmittel, die es an diesem Tag im Tafelladen gab. Mechthild Destruelle macht daraus eine Gemüse-Lasagne. Es gibt nicht jeden Tag Fleisch bei der Tafel - aus Kosten- gründen, aber auch, weil manche Gäste beispielsweise aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen.
Die Gemüse-Variante kommt gut an. "Eigentlich mag ich Lasagne lieber mit Hackfleisch", meint eine 49-Jährige, bevor sie das Gericht probiert. Ihr Kommentar nach dem ersten Bissen: "Schmeckt gut, erstaunlicher- weise sogar sehr gut!" Ihr Tischnachbar meint nur: "Wunderbar!" Eine ältere Frau sagt, sie komme oft. "Vor allem, um der Einsamkeit zu entfliehen. Sonst sitzt man ja doch bloß daheim rum und hat Depressionen." Außerdem baue die gute Mahlzeit auf. Nach dem Essen macht sie regelmäßig einen kleinen Spazier- gang mit anderen Gästen. Sie alle freuen sich an diesem Tag besonders auf den Nachtisch:
Grießbrei mit Bananen.